Die Science-Fiction-Homepage
von Ivo Gloss
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KIR BULYTSCHOW
(1934-2003)
Beginn eines Nachrufes
Von Ivo Gloss
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Kir Bulytschow,
dessen bürgerlicher Name Igor Moshejko lautet, gehört in
seiner russischen Heimat neben den Brüdern Strugazki und Sergej Lukjanenko
zu den meistgelesenen einheimischen Science-Fiction-Autoren. |
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Der gebürtige Moskauer
schloss 1957 ebenda ein Studium am Pädagogischen Fremdspracheninstitut
ab und war danach als Dolmetscher und als Korrespondent für die Zeitschrift
„Rund
um die Welt“ in Birma (heute Myanmar) tätig. Von dort brachte
er eine gute Kenntnis der amerikanischen SF und mehrere Koffer derselben
mit. In den 1960er Jahren war er wohl einer der besten Kenner der amerikanischen
und englischen SF in der Sowjetunion. Es war die Zeit, in der dort SF aus
dem Westen mehr als nur vereinzelt zu publizieren begonnen wurde, und Kir
Bulytschow war einer jener, die sie ins Russische übersetzten. |
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Moshejkos
1961 erschienene erste Erzählung zählte noch nicht zur Phantastik,
wohl aber die beiden 1965 folgenden nächsten beiden Veröffentlichungen.
Die SF-Erzählung „Eine Pflicht der Gastfreundschaft“ gab der clevere
beginnende Autor unter dem Pseudonym Maun Sein Dshi als angebliche Übersetzung
aus dem Birmanischen in der Zeitschrift „Asien und Afrika heute“ unter.
Im selben Jahr erschien mit „Die Kleine, der nichts passiert“ (dt. 1977,
vollständig 1984) auch Bulytschows erste Geschichte des an Kinder
adressierten Zyklusses um das Mädchen Alissa. Alissa ist übrigens
nicht nur die russifizierte Form von Alice, sondern auch der Name von Moshejkos
1960 geborener Tochter. |
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Auch bei der
ersten Alissa-Geschichte bediente Igor Moshejkos sich eines Pseudonyms.
Er erachtete es bei allem verständlichen Stolz auf die Veröffentlichung
doch als notwendig, speziell den Kollegen und Vorgesetzten an seinem nunmehrigen
Arbeitsort, dem Institut für Orientalistik, seine schriftstellerische
Nebentätigkeit, zumindest soweit sie den Bereich der Belletristik
betraf, zu verheimlichen, um zum einen die gebotene Seriosität als
nunmehriger Wissenschaftler zu wahren und zum anderen nicht als unterbeschäftigt
zu erscheinen. Das Pseudonym lautete: Kir Bulytschow. Das Kir hatte der
Autor vom Vornamen seiner Frau abgeleitet (Kira Soschinskaja, in Deutschland
den Lesern der Anthologie „Der Weg zur Amalthea“ als Autorin bekannt,
in Russland aber mehr als Illustratorin), das Bulytschow vom Familiennamen
seiner Mutter. |
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Das erste Alissa-Buch "Das
Mädchen von der Erde" erschien 1974 unter dem Pseudonym Kirill
Bulytschow. |
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Warum steht nun aber
auf den deutschen Ausgaben von Bulytschows SF für Erwachsene der Vorname
Kirill statt Kir? Die Sache soll auf einen Mitarbeiter eines sowjetischen
Verlages zurückgehen, der diese Änderung Anfang der 1970er Jahre
irrtümlich oder absichtlich herbeigeführt hat. Er war wohl der
Meinung, dass Kir kein wirklicher Vorname eines Autors sein könne
und es stattdessen Kirill heißen müsse oder solle. (Kyrill hieß
ja schon einer jener beiden Mönche, die im 9. Jahrhundert das russische
oder eben kyrillische Alphabet schufen.) Die betroffenen russischen Bücher
waren meines Wissens sämtlich Kinderbücher. Warum dann aber im
deutschen Sprachraum die Übersetzungen der Erwachsenen-SF unter Kirill
Bulytschow publiziert wurden (während die Übersetzungen der russisch
unter Kirill publizierten Kinder-SF im Kinderbuchverlag richtig unter Kir
Bulytschow liefen), das müssen Sie bei Gelegenheit mal jemanden von
den damaligen Mitarbeitern des Verlages Das Neue Berlin fragen. |
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SF für
Erwachsene aus der Schreibmaschine von Kir Bulytschow erschien erstmals
1967, und das unter reichlich kuriosen Umständen. Kir Bulytschow schrieb
auch damals noch Reportagen für die Zeitschrift „Rund um die Welt“.
Diese wiederum brachte alle 2 Monate als Beilage ein Magazin mit Spannungsliteratur,
den „Suchenden“. Der Umschlag der Nr. 2 des Jahrganges bildete einen
Stuhl ab, auf dem ein Einweckglas steht, in dem wiederum sich ein Saurier
befindet. Er illustrierte die Übersetzung einer amerikanischen SF-Geschichte.
Und er war in einer Auflage von 300000 Stück mehrfarbig gedruckt worden,
während der entsprechenden Erzählung die Freigabe durch die Zensur
verwehrt worden war. Es galt also ein gewisses Problem zu lösen, wozu
sich die anwesenden Mitarbeiter bei der Besprechung am Abend zunächst
einmal durch alkoholhaltiges Getränk in einen inspirierten Zustand
zu versetzen suchten. Man einigte sich darauf, ein jeder möge sich
nach Hause begeben, dort eine zur Illustration passende Geschichte verfassen
und diese dann am nächsten Tag zur Auswahl der besten stellen. In
einer frühen Fassung von Bulytschows Autobiographie wird sogar angedeutet,
von ihm selbst stamme sowohl der Vorschlag hinsichtlich des Selberverfassens
als auch der bezüglich des Alkoholgenusses, wobei er im durch einige
bereits in seiner Schublade liegenden Geschichten gestärkten Vertrauen
auf seine schriftstellerischen Fähigkeiten dafür gesorgt habe,
dass die Kollegen über das inspirative Maß hinaus genossen.
Wie dem auch sei, Bulytschow brachte am nächsten Tag eine passende
Erzählung mit, die „Wann starben die Dinosaurier aus?“ hieß,
die einzige war und umgehend in Satz ging. |
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"Der Suchende"
Nr. 2/1967: Mini-Saurier auf dem fertigen Titelbild, aber die dazugehörige
Erzählung fehlt. |
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Die Geschichten
um Alissa ziehen sich durch Bulytschows gesamte Karriere als SF- und
Phantastik-Autor. Wie seine erste Phantastik-Veröffentlichung so gehörte
auch seine letzte zu Lebzeiten erschienene neue Geschichte zu diesem Zyklus.
Eine Woche vor dem Tode des Autors begann der Zeitschriftenabdruck der
neuen Novelle „Alissa und Alissija“. Der Zyklus besteht damit nunmehr
aus über 40 Novellen und etwa 10 Erzählungen. Der populäre
Alissa-Zyklus war einerseits sicher kommerziell wichtig für Bulytschow.
Außerdem schuf sich der Autor damit aber auch schon unter den Kleinen
eine große Leserschaft, aus der ihm wohl so mancher auch im Erwachsenenalter
treu blieb, wenn er mitbekam, dass der Lieblingsschriftsteller aus Kindertagen
auch für die Großen etwas im Angebot hatte.
(Wird eventuell mal fortgesetzt. Wenn Sie nicht darauf warten wollen, dann
lesen Sie meinen abgeschlossenen Artikel »Russische
SF: Kir Bulytschow ist wieder da!«) |
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"Alissas Reise"
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"Das Untererdboot"
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Copyright (C)
2003/2005 by Ivo Gloss
Letzte inhaltliche
Änderung: 02.10.2005
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